Zur Gleichstellung der Frauen in der katholischen Kirche
Das Problem:
Die Frage nach der Stellung der Frau gehört zu den drängendsten aktuellen Problemen in der katholischen Kirche. Zur Zeit erlaubt das Kirchenrecht nur die Weihe von Männern und bindet auch alle Leitungsgewalt an die Priesterweihe. Das bedeutet: Die Frauen werden grundsätzlich von der gleichberechtigten Mitverantwortung ausgeschlossen.
In der Gegenwart werden die Stimmen immer zahlreicher und drängender, die eine Ordination auch von Frauen fordern. Auf diesen Druck hin hat der Vatikan ihre Ordination zweimal für unerlaubt erklärt: zuerst die Glaubenskongregation (Inter insigniores 1977), unter Bezug hierauf sehr knapp Papst Johannes Paul II. (Ordinatio sacerdotalis 1994).
Seitdem wird gekämpft. Die Stärke der Verteidiger des Patriarchats ist ihre Geschlossenheit, sie verschanzen sich in einem institutionellen Bollwerk. Ihre Schwäche ist die Widerlegbarkeit aller ihrer Argumente. Auf Seiten der Angreifer das umgekehrte Bild: Sie haben die stärkeren Argumente, aber ihre bisher entscheidende Schwäche ist ihre Vereinzelung. Und wer ein kirchliches Amt bekleidet, kann seine Position nicht zur Opposition nutzen, ohne sie zugleich zu gefährden.
Das Ziel:
Es geht nicht nur um die Teilhabe der Frauen am geistlichen Amt, sondern um die Möglichkeit gleichberechtigter Mitverantwortung in der Kirche, immerhin für die Hälfte aller ihrer Mitglieder. Das setzt auf Seiten der Amtsinhaber die Bereitschaft voraus, ihre Verantwortung brüderlich zu teilen. Und mehr Ehrlichkeit in der Argumentation! Beides erfordert auch den Abbau des herrschenden Klerikalismus.
Zur nachfolgenden Apostolischen Erklärung:
Grundlage ist mein Buch „Die Arbeiterinnen im Weinberg“ (Fohrmann Verlag 2016). Dessen Grundlage ist eine langjährige intensive Beschäftigung mit dem Problem, ausgehend von den Aussagen der Evangelien.
Apostolische Erklärung
Der Vatikan lehnt die kirchenrechtliche Gleichstellung der Frauen kategorisch ab. Dafür beruft er sich auf eine angeblich apostolische Tradition. Deshalb fühlen
wir Apostel uns zu der folgenden Erklärung gedrängt.
Einwand: Jesus hat nur Männer in den Kreis der zwölf Apostel berufen.
Dazu der Apostel Jakobus (Sohn des Zebedäus): Unsere Aufgabe war es, auch selbst die Botschaft zu verkünden, die Jesus verkündet hat. Für Frauen war es damals aber völlig unmöglich, öffentlich zu predigen. Sie durften in den Synagogen nicht einmal laut mitbeten. Und ihr Zeugnis wurde, etwa vor Gericht, erst gar nicht anerkannt. Heute gibt es solche Einschränkungen für Frauen nicht mehr. Dass Jesus im Rahmen des damals Möglichen blieb, gibt der Kirche kein Recht, hinter dem heute Möglichen zurückzubleiben.
Einwand: Jesus hat das letzte Abendmahl nur mit den zwölf Aposteln gefeiert. Sie hat er beauftragt: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ (Lukas 22,19) Damit hat er das Priesteramt gestiftet und Männern vorbehalten.
Dazu der Apostel Matthias: Kein Evangelist sagt, dass nur die Zwölf teilgenommen haben. Lukas setzt sogar voraus, dass auch Nichtapostel teilnahmen. Die beiden Jünger, mit denen Jesus nach Emmaus geht und die ihn am Brotbrechen erkennen, müssen am Abendmahl teilgenommen haben, waren aber nachweislich keine Apostel (24,13ff.).
Dazu auch der Apostel Johannes: Die Gemeinschaft beim Mahl war für Jesus ein Sinnbild der Heilsgemeinschaft im Reich Gottes. Dann aber sollte man nicht behaupten, ausgerechnet sein wichtigstes Mahl hätte er nur für einen kleinen exklusiven Kreis veranstaltet. Und das auch noch in der Absicht, die Hälfte seiner Jüngerschaft ein für alle Mal von der gleichberechtigten Mitverantwortung für seine Kirche auszuschließen.
Dazu auch die Apostelin Maria Magdalena: Wir Frauen haben Jesus schon in Galiläa begleitet und sind auch mit ihm nach Jerusalem gezogen. Wir haben ihn ja auch finanziell unterstützt. Weil das Abendmahl dort ein Passahmahl war, gehörten wir selbstverständlich dazu. Es ist absurd zu behaupten, Jesus hätte uns eigens ausgeladen, um das katholische Patriarchat zu stiften.
Dazu auch der Apostel Simon Petrus: Der Auftrag Jesu „Tut dies!“ gilt für alle Jünger zu allen Zeiten. Er bedeutet auch: Tut alles Erforderliche, damit das Abendmahl wirklich gefeiert werden kann. Wer das Patriarchat für wichtiger hält als die Feier des Abendmahls, führt den Auftrag Jesu nicht getreulich aus, sondern wird ihm im Gegenteil untreu.
Einwand: Jesus hat nicht einmal seine Mutter Maria unter die Zwölf berufen. Das zeigt doch, dass er keine Frauen im Amt haben wollte.
Dazu Maria selbst: Ich verwahre mich entschieden dagegen, dass ich gegen die Frauen ins Feld geführt werde. Als mein Sohn öffentlich zu wirken begann, hat er sich zugleich konsequent von mir und seiner Familie getrennt: das bezeugen alle vier Evangelien. Ich bin ja auch niemals mit ihm gewandert. Schon deshalb kam ich für das Apostelamt überhaupt nicht in Frage, und nicht etwa, weil ich eine Frau bin.
Einwand: In der Kirche geht es um zeitlos gültige Wahrheiten. Deshalb darf sie nicht einfach dem Zeitgeist folgen.
Dazu der Apostel Andreas:
Eine zeitlos gültige Wahrheit ist: Gott hat Mann und Frau nach seinem Bild geschaffen, den Mann nicht mehr als die Frau. Und was den Zeitgeist betrifft: Auch durch ihn kann der Heilige Geist sprechen. Deshalb fordert Jesus dazu auf, die Zeichen der Zeit zu beachten (Lukas 12,54-57). Euch sagen die Zeichen Eurer Zeit ganz klar: Männer und Frauen sind nicht nur gleich an personaler Würde, sondern auch an Verantwortung und Rechten! Die Kirche muss vorbildlich sein, indem sie diese Gleichheit anerkennt und verwirklicht.
Einwand: Noch nie hat die Kirche Frauen zum Priesteramt zugelassen. Diese Tradition verbietet auch weiterhin eine Ordination von Frauen.
Dazu der Apostel Philippus: Das würde bedeuten: Was Gott 2000 Jahre lang nicht gewollt hat, will er überhaupt nie. Das Gegenteil ist richtig: Alles, was Gott jemals getan hat und tut, hat er vorher Jahrtausende oder Jahrmillionen lang nicht getan! Und was Jesus betrifft: Er hat religiöse Traditionen übernommen, wenn und weil sie sinnvoll waren. Wenn eine Tradition dagegen nicht mit seiner Vorstellung vom Reich Gottes übereinstimmte, hat er sie abgelehnt. Das brachte ihm ja auch die Feindschaft der damaligen Glaubenshüter ein.
Dazu auch der Apostel Bartholomäus: Jesus wollte sein Volk Israel für das erwartete Reich Gottes vorbereiten. An ein eigenes Priesteramt für seine Jünger hat Jesus selbst nie gedacht. Auch keiner von uns Aposteln hat sich jemals als Priester verstanden. Die junge Kirche hat dieses Amt entwickelt, weil sie es brauchte. Wer also für das priesterliche Amt eine auf uns Apostel zurückgehende Tradition fordert, muss es konsequenterweise ganz ablehnen, auch für die Männer.
Einwand: Da Christus ein Mann ist, können Frauen nicht ‚in persona Christi‘, d. h. stellvertretend für Christus handeln.
Dazu der Apostel Matthäus: Kein einziges Mal hat Jesus ein stellvertretendes Wirken an sein eigenes Geschlecht gebunden. So schließen etwa der Auftrag, in seinem Namen zu taufen, und damit verbunden die Vollmacht, Sünden zu vergeben, nachweislich die Jüngerinnen ein.
Einwand: Christus ist sinnbildlich der Bräutigam, die Kirche seine Braut. Der Priester vertritt den Bräutigam, deshalb muss auch er ein Mann sein.
Dazu der Apostel Thomas: Christus ist ‚Bräutigam‘ im Vollzug der liebenden Vereinigung: „Wer die Braut hat, ist der Bräutigam!“ (Johannes 3,29) Keinem von uns Zwölf wäre es auch nur im entferntesten eingefallen, sich als stellvertretender Bräutigam auf das Brautbett Jesu Christi zu drängen. Auch Paulus wusste es besser: Er sah seine Aufgabe darin, dem Bräutigam die Braut zuzuführen (2. Brief an die Korinther 11,2). Das kann ebenso gut eine Frau.
Einwand: Das Priesteramt entspricht nicht dem Wesen der Frau.
Dazu der Apostel Jakobus (Sohn des Alphäus): Natürlich nicht, solange die maßgeblichen Kirchenmänner es patriarchalisch-klerikal gestalten. Gestaltet es geschwisterlich, und Ihr werdet erleben, wie sehr es auch dem Wesen der Frau entspricht.
Einwand: Die Ordination von Frauen führt zu einer Spaltung in der Kirche.
Dazu der Apostel Thaddäus: Man muss die theologische Lehre von der pastoralen Praxis unterscheiden. Der Lehre geht es um die Wahrheit. Diese hängt nicht von der Opportunität ab. Die Praxis dagegen kann Rücksicht auf unterschiedliche Befindlichkeiten nehmen.
Was die Verkündigung der Wahrheit betrifft: Jesus selbst hat nie eine Wahrheit
verschwiegen, weil sie unerwünscht war. Andernfalls gäbe es das Christentum
nicht! Und an einer Spaltung wären nicht die schuld, die die Wahrheit verkünden, sondern die, die am Irrtum festhalten.
Einwand: Die protestantische Kirche hat Priesterinnen, aber dennoch die gleichen Probleme wie die katholische.
Dazu der Apostel Paulus: Die Ordination von Frauen ist zu fordern, weil alle Einwände dagegen irrig sind und die Zeichen der Zeit dafür sprechen. Wer die Ordination von Frauen mit dem Hinweis auf die Probleme der Protestanten ablehnt, könnte genau so gut sagen: Der protestantischen Kirche geht es auch nicht besser, also lehren und praktizieren wir Katholiken ruhig weiter das Falsche.
Einwand: Der Papst hat als Nachfolger des Simon Petrus und somit als Oberhaupt der Kirche eine Ordination von Frauen endgültig für unmöglich erklärt.
Dazu noch einmal der Apostel Simon Petrus:
Alle Argumente, mit denen dieses Veto begründet wird, sind widerlegbar und längst widerlegt. Kann man wirklich aus lauter Irrtümern eine unfehlbare Wahrheit ableiten? Im übrigen haben wir damals alle wichtigen Entscheidungen kollegial getroffen. Lest es in der Apostelgeschichte und bei Paulus nach! Für alle Christen und für alle Zeiten haben wir ohnehin nichts entschieden. Hieße das nicht, Christus, der das Haupt der Kirche ist, zu entmündigen?
Mahnung: „Die Gläubigen rufen sich das Wort Christi an die Apostel ins Gedächtnis: „Wer euch hört, der hört mich“ (Lukas 10,16) und nehmen die Lehren und Weisungen, die ihnen ihre Hirten in verschiedenen Formen geben, willig an.“ (Zitat aus dem Katholischen Weltkatechismus, Nr. 87)
Dazu der Apostel Simon (Kananäus):
Die zitierten Worte hat Jesus nicht zu uns zwölf Aposteln gesprochen, sondern zu „zweiundsiebzig anderen“ (Lukas 10,1). Wer hieraus den Vorrang der Oberhirten ableitet, dreht Jesus die Worte im Mund herum! Die Hirten haben diesen Ausspruch Jesu vielmehr auch dann ernst zu nehmen, wenn er bedeutet, auf die Gläubigen zu hören und eventuell die eigene Meinung zu ändern. Denn die Gläubigen sind keine Schafe, die nur zu gehorchen haben. Jesus selbst hat sie vielmehr bevollmächtigt, den Hirten notfalls auch unbequeme Wahrheiten zu sagen.
Gebet für die Kirche
Herr Jesus Christus,
Du hast uns in Deine Kirche berufen.
Aber Du hast uns die Kirche nicht fertig vorgegeben,
sondern erwartest von uns, dass wir sie gestalten.
Hilf uns, dabei Deinen Willen zu erkennen
in der Frohen Botschaft,
die Du unüberholbar verkündet hast,
und in den Anforderungen unserer Zeit,
die uns an unsere Verantwortung mahnen.
Hilf uns allen, in geschwisterlichem Miteinander
die Glieder des einen Leibes zu sein,
dessen Haupt Du selber bist.
Hilf all denen, die ein Amt haben,
es in selbstloser Liebe und Demut auszuüben,
Bewährtes treu zu bewahren,
aber auch etwas Neues zu wagen,
wenn das Bewahrte sich nicht mehr bewährt.
Herr, wir vertrauen auf Deine
bleibende, liebende, helfende Gegenwart.
Wir danken Dir für die Geduld,
die Du mit uns hast.
Hilf uns, auch miteinander Geduld zu haben
im rechten Maß: nicht zu wenig und nicht zu viel.
Wir danken Dir für Deine Hilfe.
Amen.
(aus: Karl Josef Kassing, Die Arbeiterinnen im Weinberg)